Ergebnisse des DGB-Ausbildungsreports: Gender und Berufswahl – mehr als nur persönliche Präferenzen
Ende August wurde der DGB-Ausbildungsreport 2025 veröffentlicht. Die aktuellen Zahlen sind alarmierend: 75 Prozent der Beschäftigten in weiblich dominierten Berufen (überwiegend Frauen) und 60 Prozent derjenigen in sogenannten "Männerdomänen" gehen nicht ihrem Wunschberuf nach.
Das ist kein Randphänomen, sondern ein strukturelles Problem – mit Folgen weit über das Individuum hinaus. Die Berufswahl ist selten frei von äußeren Einflüssen. Geschlechterklischees wirken früh – im Elternhaus, in der Schule, durch Medien und gesellschaftliche Erwartungen. Mädchen entscheiden sich häufiger für Berufe im sozialen Bereich, Jungen für technische Felder. Nicht immer, weil sie es wirklich wollen, sondern weil es ihnen "normal" vorkommt – und alternative Wege zu selten aufgezeigt werden.
Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt
Das hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Die Folge: ein Arbeitsmarkt, der strukturell unausgewogen bleibt. In sozialen Berufen herrscht chronischer Fachkräftemangel, obwohl viele junge Männer dafür offen wären – wenn gesellschaftliche Vorurteile nicht im Weg stünden. Gleichzeitig fehlen in MINT-Berufen weiterhin Frauen, obwohl das Fachkräftepotenzial riesig wäre.
So bleiben Chancen ungenutzt, während wir gleichzeitig über Fachkräftemangel, Jugendarbeitslosigkeit und den demografischen Wandel diskutieren.
"Unser Ziel als Gewerkschaften ist klar: Mädchen und Jungen sollten sich mit ihrer Berufswahl frei entfalten und gute berufliche Perspektiven entwickeln können. Doch viel zu oft ist das nicht so", sagt Elke Hannak, stellvertretende DGB-Vorsitzende.
Selbstverwirklichung ist mehr als "nice to have"
Wenn Menschen im Beruf nicht sie selbst sein können, hat das Konsequenzen. Für das Individuum, weil es zu geringerer Zufriedenheit, höherer Frustration und erhöhte Wechselbereitschaft führt. Und auch für die Wirtschaft. Denn es gibt weniger Innovationskraft, mehr Fluktuation und eine ineffiziente Ressourcennutzung. Für die Gesellschaft bedeutet dies: Verschenktes Potenzial, das wir uns angesichts leerer Ausbildungsplätze und wachsender Arbeitsmarktprobleme schlicht nicht leisten können.
Was jetzt zu tun ist: Handlungsempfehlungen
Um junge Menschen besser zu unterstützen und wirklich nach Interessen und Fähigkeiten zu fördern, braucht es:
- Frühe Berufsorientierung ohne Klischees – geschlechterneutrale Berufsberatung ab der Schule, Einblicke in die Vielfalt der Berufsfelder.
- Rolemodels sichtbar machen – Frauen in Technik, Männer in Pflege: gelebte Vorbilder bauen Barrieren ab.
- Praxisnahe Erfahrungen fördern – Praktika, Projekte und Kooperationen mit Betrieben, die Jugendliche ermutigen, Neues auszuprobieren.
- Kompetenzen statt Rollenbilder – mehr Fokus auf individuelle Stärken statt auf „typische“ Wege.
- Gesellschaftlichen Diskurs anstoßen – Klischees aktiv hinterfragen und Vielfalt in der Arbeitswelt wertschätzen.
Fazit: Wenn wir es schaffen, jungen Menschen eine wirklich freie Berufswahl zu ermöglichen, gewinnen alle: die Einzelnen, die Wirtschaft und die Gesellschaft. Gerade jetzt, in Zeiten des Fachkräftemangels, wäre das ein entscheidender Schritt nach vorn.
Weitere Infos: jugend.dgb.de/ausbildung/ausbildungsreport